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Sozialpläne im Fokus: Unternehmen in wirtschaftlichen Krisen
Jasmin Rungger, LL.M. (WU)
Feb 14, 2025
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Unternehmen stehen aktuell vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen. Steigende Energiekosten, hohe Lohnbelastungen und eineunsichere Marktlage setzen viele Betriebe unter Druck. Die Rezession in Österreich hält sich hartnäckig, eine deutliche Verbesserung ist kaum in Sicht.

In solchen Zeiten sind Unternehmen oft gezwungen, Kosten zu senken, um die Krise zu bewältigen. Umstrukturierungen, tiefgreifende betriebliche Veränderungen und Personalabbau werden erforderlich, um das Unternehmen finanziell stabil zu halten.

Was ist ein Sozialplan?

Ein Sozialplan ist eine Vereinbarung zwischen Betriebsinhaber:in und Betriebsrat, die konkrete Maßnahmen zur Abfederung der negativen Folgen einer Betriebsänderung vorsieht. Ziel ist es, für die betroffenen Arbeitnehmer:innen faire und tragfähige Lösungen zu schaffen.

Rechtliche Grundlage eines Sozialplans ist in der Regel eine erzwingbare Betriebsvereinbarung. Falls Uneinigkeit besteht, kann die Schlichtung vor dem Arbeits- und Sozialgericht beantragt werden. Alternativ können Sozialpläne auch durch Kollektivvertrag geregelt werden, was in der Praxis jedoch selten genutzt wird.

Voraussetzungen für einen Sozialplan

Damit ein Sozialplan als Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden kann, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  1. Betriebsrat erforderlich: Bei Sozialplänen handelt es sich idR um eine Betriebsvereinbarung. Der Abschlusseiner solchen setzt die Existenz eines Betriebsrats voraus. Ohne Betriebsrat kann somit idR kein Sozialplan zustande kommen.
  2. Mindestanzahl an Arbeitnehmer:innen: Die Möglichkeit zum Abschluss eines Sozialplans setzt eine Betriebsgröße von mindestens 20 dauernd beschäftigten Arbeitnehmer:innen (nach Köpfen, nicht nach Vollzeitäquivalenten) voraus.
  3. Erhebliche Betriebsänderung: Zudem muss eine Betriebsänderung iSd § 109 Abs 1 Z 1 bis 6 ArbVG vorliegen. Dazu zählen die Einschränkung oder Stilllegung des ganzen Betriebs oder von Betriebsteilen, ein beim AMS anzeigepflichtiger (Massen-)Personalabbau, die Verlegung eines Betriebs oder eines Betriebsteils, der Zusammenschluss mit anderen Betrieben, die Änderung des Betriebswerks, der Betriebsanlagen, der Arbeits- und Betriebsorganisation, die Einführung neuer Arbeitsmethoden oder die Einführung von Rationalisierungs- und Automatisierungsmaßnahmen von erheblicher Bedeutung.
  4. Wesentlicher Nachteil für alle oder erhebliche Teile der Belegschaft: Unter einem wesentlichen Nachteil ist nicht nur der Verlust des Arbeitsplatzes zu verstehen, sondern auch eine deutlichspürbare Verschlechterung des Entgelts oder sonstiger Arbeitsbedingungen (zB eine wesentliche / beträchtliche Verlängerung des Arbeitsweges). Bei diesem Situationsvergleich geht es jedoch immer um die Situation aller Arbeitnehmer:innen oder erheblicher Teile der Belegschaft. Einzelschicksale bleiben außer Betracht.

Wann von der Betroffenheit eines „erheblichen Teiles der Arbeitnehmerschaft“ auszugehen ist, ist strittig. In der überwiegenden Lehre wird dann von einem erheblichen Teil ausgegangen, wenn zumindest ein Drittel der Belegschaft betroffen ist. Diese Ansicht ist uE nicht überzeugend. Von „erheblichen Teilen“ kann nach dem Wortlaut wohl nur gesprochen werden, wenn über 50 % der Belegschaft betroffen sind.

Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist ein dennoch abgeschlossener Sozialplan kein Sozialplan im Sinne des Gesetzes, kann aber als sogenannte „freie Betriebsvereinbarung“ einzelvertragliche Wirkung entfalten. Dies kann sowohl für die Beendigung des Sozialplans, aber auch auf die steuerliche Behandlung von Leistungen aus dem Sozialplan Auswirkungen haben.

Welche Inhalte kann ein Sozialplan haben?

Die Regelungen eines Sozialplans sind Verhandlungssache. Typische Bestandteile sind:

  •  Freiwillige Abfertigungen: Zentraler Inhalt von Sozialplänen sind freiwillige Abfertigungen, wobei die genaue Höhe der Abfertigung meist von bestimmten Kriterien wie dem Lebensalter, der Dauer der Betriebszugehörigkeit, Sorgepflichten, Beeinträchtigungen und der Höhe des Gehalts abhängig gemacht wird. Solche freiwilligen Abfertigungen in Sozialplänen sind in einem gewissen Rahmen steuerbegünstigt.
  • Sonderleistungen für geschützte Arbeitnehmer:innen: Dazu zählen etwa begünstigte Behinderte nach BEinstG, Arbeitnehmer:innen während Mutterschutz, Elternkarenz oder Elternzeitzeit.
  • Kinderzuschläge und Sonderzahlungen: Inder Praxis wird hier meist darauf abgestellt, ob ein Anspruch auf Familienbeihilfe bzw einen Alleinerzieher- oder Alleinverdienerabsetzbetrag besteht.
  • Überbrückungshilfen: Bei einer Überbrückungshilfe handelt es sich um eine finanzielle Unterstützung älterer Arbeitnehmer:innen für die Zeit zwischen Beendigung des Dienstvertrages und dem möglichen Pensionsantrittszeitpunkt.
  • Härtefonds: Dabei handelt es sich um einen durch den Betriebsinhaber finanzierten und oft mit dem Betriebsrat gemeinsam verwalteten Fonds, aus dem besondere Notlagen individuell abgefedert werden. Gesetzliche Vorgaben für einen Entscheidungs- und Verteilungsmechanismus gibt es hier nicht, weshalb ratsam ist, den Begriff „Härtefall“ klar zu definieren (etwa Todesfälle innerhalb der Familie oder Gesundheitsschädigungen) und (auch) die konkrete Höhe der Härtefallzahlungen zu vereinbaren.
  • Umzugshilfen und Pendlerzuschläge: Dies ist etwa dann sinnvoll, wenn es im Rahmen einer Restrukturierung zur Verlegung von Betrieben oder Betriebsteilen kommt.
  • Outplacement-Beratung: Dabei handelt es sich um eine professionelle Unterstützung für Arbeitnehmer:innen bei der beruflichen Neuorientierung und der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz.
  • Wiedereinstellungsklauseln: Für den Fall, dass zu einem späteren Zeitpunkt wieder Personalbedarf entstehen sollte.

 

Wer ist vom Sozialplan umfasst?

Der Geltungsbereich der Sozialpläne ist Verhandlungssache. Umfasst sind typischerweise jene Arbeitnehmer:innen, die von der Betriebsänderung betroffen sind – nicht jedoch Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder oder leitende Angestellte. Besonders bemerkenswert: Sozialplänedürfen in Ausnahmefällen auch ehemalige Arbeitnehmer:innen begünstigen, sofern diese aufgrund der Betriebsänderung ausgeschieden sind.

Gleichbehandlung und Diskriminierungsverbot

Bei Abschluss eines Sozialplanes sind der Gleichheitssatz, die Diskriminierungsverbote des Gleichbehandlungsgesetze und auch der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Regelungen, welche die Leistung etwa vom Alter oder Geschlecht der Arbeitnehmer:innen abhängig machen und somit die im Gesetz genannten Gruppenbenachteiligen oder begünstigen, führen zu einer unzulässigen Diskriminierung. Altersbezogene Begünstigungen sind bei sachlicher Rechtfertigung zulässig, zumal das Arbeitsverfassungsgesetz ausdrücklich vorschreibt, dass auf die Interessenälterer Arbeitnehmer:innen besonders Bedacht zu nehmen ist.

Eine Missachtung der Gleichbehandlungsvorschriften oder der Diskriminierungsverbote kann sogar soweit führen, dass diskriminierte Arbeitnehmer:innen in den Sozialplan einzubeziehen und finanzielle Ausgleichs-sowie Schadenersatzzahlungen zu leisten sind.

Was passiert bei Nichteinigung?

Sollten sich Arbeitgeber:innen und der Betriebsrat sich nicht auf einen Sozialplan einigen können, kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Schlichtungsstelle angerufen werden. Ihre Entscheidung ist verbindlich und kann auch nicht durch Rechtsmittel bekämpft werden.

 

Fazit: Sozialpläne als Instrument sozialer Verantwortung

Sozialpläne sind ein entscheidendes Instrument, um die Auswirkungen betrieblicher Veränderungen für Arbeitnehmer:innen abzumildern. Sie schaffen einen rechtlichen Rahmen, der es ermöglicht, die wirtschaftlichen Belastungen für die Belegschaft zu verringern und eine sozialverträgliche Lösung zu finden. Unternehmen, die gut verhandelte Sozialpläne umsetzen, können nicht nur den betroffenen Arbeitnehmer:innen helfen, sondern gleichzeitig ihre eigene betriebliche Stabilität sichern.

Haben Sie Fragen zum Thema Sozialplan? Unser Team steht Ihnen gerne zur Seite, um maßgeschneiderte Lösungen für Ihr Unternehmen zu entwickeln. Hören Sie auch in unseren Podcast Legal Leading – Der Arbeitsrecht Guide rein, um noch mehr spannende Einblicke und rechtliche Tipps zu erhalten.