DE
EN
Arbeitnehmerähnliche Personen: Was Arbeitgeber:innen wissen müssen
Jasmin Rungger, LL.M. (WU)
Apr 14, 2025
reading time: ~
5
min

Zwischen klassischer Selbstständigkeit und dem echten Arbeitsverhältnis existiert im österreichischen Arbeitsrecht ein „Zwischenbereich“ – die sogenannte arbeitnehmerähnliche Person.

Obwohl diese formal selbstständig tätig ist, hängt ihre wirtschaftliche Existenz oft maßgeblich von einemeinzigen oder wenigen Auftraggeber:innen ab. Aufgrund dieser besonderen Abhängigkeit sieht die österreichische Rechtsordnung vor, bestimmte arbeitsrechtliche Schutzvorschriften auch auf diese Gruppe von Beschäftigten anzuwenden.

Insbesondere für Auftraggeber:innen ist es daher essenziell, diese rechtliche Sonderform zu kennen und den rechtlichen Status arbeitnehmerähnlicher Personen zu verstehen –nicht zuletzt, um rechtliche Streitigkeiten oder teure Fehlqualifikationen zu vermeiden.

Wer zählt als arbeiterähnliche Person?

Arbeitnehmerähnliche Personen stehen in keinem klassischen Arbeitsverhältnis, weisen jedoch Merkmale auf, die sie in ihrer wirtschaftlichen Realität Arbeitnehmer:innen ähnlich machen.

Häufig bestehen Vertragsverhältnisse auf Basis eines freien Dienstvertrages oder eines Werkvertrages, wobei die Tätigkeit trotz formaler Selbstständigkeit in eine gewisse wirtschaftliche Abhängigkeit mündet.

Diese „Mittelstellung“ bringt sowohl rechtliche Herausforderungen als auch – vom Gesetz vorgesehene – Schutzmechanismen mit sich.

Wirtschaftlich abhängig trotz Selbstständigkeit: Die typischen Merkmale

Arbeitnehmerähnliche Personen werden mittels jeweils gleichlautender Legaldefinitionen in den Anwendungsbereich bestimmter arbeitsrechtlicher Gesetze einbezogen. Ein arbeitnehmerähnliches Beschäftigungsverhältnis liegt entsprechend diesen Legaldefinitionen bei Personen vor, die

  • zwar in keinem Arbeitsverhältnis stehen,
  • aber im Auftrag und für Rechnung bestimmter anderer Personen Arbeit leisten und
  • wegen der wirtschaftlichen Unselbstständigkeit

als arbeitnehmerähnlich anzusehen sind. In der Rechtsprechung haben sich zur wirtschaftlichen Unselbständigkeit eine Reihe an Merkmalen etabliert. Das sind

  • Vertragliche Abhängigkeit: Bindung an einen oder wenige Auftraggeber:innen
  • Regelmäßigkeit der Tätigkeit: Dauerhafte oder wiederkehrende Auftragsverhältnisse
  • Eingeschränkte Tätigkeitsfreiheit: Beschränkung in der Annahme weiterer Aufträge; Bindung an den/die Unternehmerin
  • Betriebliche Eingliederung: Nutzung von Betriebsmitteln oder Arbeitsort des/der Auftraggebers/Auftraggeberin
  • Persönliche Leistungspflicht: Persönliche Ausführung(spflicht) der Arbeit
  • Fremdbestimmung: Arbeit erfolgt in wirtschaftlicher Unterordnung; oft ohne echte Autonomie, auch wenn keine direkten Weisungen erfolgen
  • Wirtschaftliche Abhängigkeit: Ein Großteil der Einkünfte stammt aus einer einzigen Tätigkeit – es ist nicht erforderlich, dass die betreffende Person ausschließlich von dieser Tätigkeit lebt, ebenso wenig ist die Höhe der Entlohnung relevant
  • Wirtschaftlicher Erfolg kommt dem/der Unternehmer:in zu

Wichtig: Es müssen nicht alle Merkmale kumulativ vorliegen. Ausschlaggebend ist das Gesamtbild des Einzelfalls.

Abgrenzung zum echten Arbeitsverhältnis: Wo liegt die Grenze für Arbeitgeber:innen?

Nach österreichischem Arbeitsvertragsrecht ist jemand dann als Arbeitnehmer:in zu qualifizieren, wenn ein Arbeitsvertrag vorliegt, durchwelchen sich der/die Arbeitnehmer:in dauerhaft zur persönlichen Arbeitsleistung verpflichtet und im Gegenzug dafür ein Entgelt erhält. Der wesentliche Unterschied liegt in der persönlichen Abhängigkeit – dem zentralen Merkmal eines Arbeitsverhältnisses.

Dies zeigt sich typischerweise durch:

  • Weisungsgebundenheit in Bezug auf Zeit, Ort, Inhalt und Ablauf der Arbeit
  • Integration in die betriebliche Organisation
  • Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten durch den/die Arbeitgeber:in
  • Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung

Wichtig: Auch hier müssen nicht alle Kriterien kumulativ erfüllt sein. Entscheidend ist, ob das Gesamtbild der Tätigkeit auf ein Überwiegen dieser Elemente schließen lässt oder einzelne Merkmale besonders stark ausgeprägt sind.

Arbeitnehmerähnliche Personen erfüllen nicht selten einige dieser Merkmale, jedoch nicht in der Gesamtheit, die für ein klassisches Arbeitsverhältnis erforderlich wäre.

Vertragsarten im Überblick: Freier Dienstvertrag & Werkvertrag

Der freie Dienstvertrag: flexibel, aber rechtlich riskant

Sowohl der echte als auch der freie Dienstvertrag haben eines gemeinsam:

Der freie Dienstvertrag ist – im Gegensatz zum Werkvertrag – auf eine dauerhafte Tätigkeit („Wirken“) gerichtet, nicht auf ein konkretes Ergebnis („Werk“).

Ebenso wie der echte Dienstvertrag begründet der freie Dienstvertrag daher ein Dauerschuldverhältnis. Typische Merkmale eines freien Dienstvertrages sind:

  • Nur sachbezogene Weisungsgebundenheit: Weisungen beziehen sich auf die vereinbarte Dienstleistung, nicht aber auf das Verhaltendes/der freien Dienstnehmer:in
  • Flexible Arbeitsgestaltung: keine fixen Arbeitszeiten oder -umfänge; die Arbeit kann eigenverantwortlich eingeteilt und organisiert werden
  • Keine höchstpersönliche Arbeitspflicht: Möglichkeit, sich im Urlaubs- oder Krankheitsfall oder generell vertreten zu lassen
  • Keine Integration in den Betrieb des Auftraggebers
  • Keine disziplinären Sanktionen bei Nichterfüllung oder Delegation der Tätigkeit

Achtung: Besteht wirtschaftliche Abhängigkeit, kann auch ein:e freie:r Dienstnehmer:in als arbeitnehmerähnlich gelten.

Der Werkvertrag: ergebnisorientiert, aber nicht automatisch unabhängig

Beim Werkvertrag steht ein konkretes Ergebnis(Werk) im Mittelpunkt. Der/die Werkunternehmer:in schuldet nicht nur eine Tätigkeit, sondern einen Erfolg – meist auf eigene Rechnung und mit eigenen Betriebsmitteln.

Der/die Werkunternehmer:in handelt dabei weitgehend selbstbestimmt und übernimmt sowohl die Haftung für etwaige Mängel als auch das Risiko, dass das Werk misslingen könnte.

Auch hier gilt: Besteht wirtschaftliche Unselbstständigkeit, kann es sich trotz Werkvertrags um eine arbeitnehmerähnliche Person handeln.

Rechtliche Folgen für Arbeitgeber:innen & Unternehmen

Arbeitnehmerähnliche Personen bewegen sich in einem rechtlichen Spannungsfeld zwischen formaler Selbstständigkeit und faktischer Unselbständigkeit bzw Abhängigkeit:

Sie stehen in keinem echten Arbeitsverhältnis, übernehmen aber dennoch regelmäßig Leistungen für eine:n Auftraggeber:in, von dem/der sie ua wirtschaftlich abhängig sind.

In Österreich hat der Gesetzgeber auf diese Konstellation reagiert und den Anwendungsbereich bestimmter arbeitsrechtlicher Gesetze um arbeitnehmerähnliche Personen erweitert.

Zugang zur Arbeitsgerichtsbarkeit: Das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz („ASGG“) gewährt arbeitnehmerähnlichen Personen etwa den Zugang zur Arbeitsgerichtsbarkeit (siehe § 51 Abs 3 Z 2 ASGG).

Haftungsrecht: Entlastung durch das DHG: Auch im Haftungsrecht sind arbeitnehmerähnliche Personen nicht völlig auf sich alleingestellt. Das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz (DHG) räumt ihnen im Fall von Schadenersatzansprüchen – wie echten Arbeitnehmer:innen – Erleichterungen ein. So kann ein dem/der Auftraggeber:in bei der Dienstleistung zugefügter Schadengemäßigt oder auch ganz erlassen werden (siehe § 1 Abs 1 DNHG).

Gleichbehandlungsrecht und Diskriminierungsschutz: Darüber hinaus sind sie durch das Gleichbehandlungsrecht vor Diskriminierung in der Arbeitswelt geschützt. Das umfasst unter anderem den Schutz vor Benachteiligungen aufgrund von Geschlecht, Alter, ethnischer Zugehörigkeit, Religion, sexueller Orientierung oder Behinderung (siehe § 1 Abs 3 Z 2 GlbG oder § 7a Abs 2 Z4 BEinstG).

Arbeitskräfteüberlassung: Einbeziehung ins AÜG Arbeitnehmerähnliche Personen werden zudem in den Geltungsbereich des Arbeitskräfteüberlassungsgesetz („AÜG“) einbezogen (siehe § 3 Abs 4 AÜG).

Kommt der Kollektivvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen? Politische Diskussion im Überblick

Im aktuellen österreichischen Regierungsprogramm wird erstmals darüber diskutiert, ob Kollektivverträge auf arbeitnehmerähnliche Personen ausgeweitet werden sollen. Ziel ist es, den sozialen Schutz dieser wirtschaftlich abhängigen Gruppe zu stärken – konkrete Umsetzungsschritte stehen jedoch noch aus.

Fazit: Klare Einordnung schützt vor Risiken und schafft Fairness

Arbeitnehmerähnliche Personen stehen weder auf der Seite der klassischen Selbstständigen noch der echten Arbeitnehmer:innen. Ihre formale Unabhängigkeit wird durch eine oft erhebliche wirtschaftliche Abhängigkeit relativiert.

Für Unternehmen und Auftraggeber:innen bedeutet das: Präzise Vertragsgestaltung, klare Abgrenzung und fundierte Kenntnis der Rechtslage sind unerlässlich – nicht nur zur Risikominimierung, sondern auch zur Schaffung fairer Arbeitsbedingungen.

Fragen zur Abgrenzung? Wir beraten Sie gerne

Unser Team unterstützt Sie bei der rechtssicheren Einordnung von Vertragsverhältnissen und bietet maßgeschneiderte Lösungen für Ihr Unternehmen.

Tipp: Jetzt reinhören – "Legal Leading – Der Arbeitsrecht-Guide", der Podcast für aktuelle Einblicke im Arbeitsrecht.